Manchmal möchte ich meinem jüngeren Ich, dem "Bevor-ich-Mama-war-Ich", einen leichten Klaps auf den Hinterkopf geben und mir Einiges aus heutiger Perspektive erklären. Einerseits, damit ich die
Zeit, in der ich mich nur um mich kümmern musste, bewusster zu schätzen und genießen gewusst hätte, und andererseits,
um einige naive Vorurteile zu revidieren, was es bedeutet, Mama zu sein (und immer tiefer zu werden).
Manchmal mischte ich mich bei Diskussionen über Muttersein mit ein und glaubte, vieles besser zu wissen als Mütter - im Endeffekt, ohne nur im Geringsten zu verstehen.

Ich möchte nicht schmälern, dass es auch eine große Herausforderung ist, allein für sich selbst gut zu sorgen.
Aber sich parallel dazu um einen anderen Menschen zu kümmern, der vorerst einmal gar nichts selber kann, geschweige denn sich zu äußern, was er braucht, und dann auch noch kontinuierlich in einer
Qualität, die das Kind auf allen Ebenen nährt, empfinde ich als Meisterleistung.
Ehrlich gesagt bin ich mir momentan gar nicht sicher, ob das geht- sich gleichzeitig um sich selbst und jemand anderen gut zu kümmern, besonders wenn "der andere" so abhängig und hilfsbedürftig
ist wie ein Baby oder Kleinkind.
Und zugleich frage ich mich auch, ob das natürlich ist, auch wenn es bei uns normal ist. Denn in ursprünglicheren Völkern kümmert sich nicht nur das ganze Dorf mit um die Kinder, sondern
auch aktiv um die Mütter.
Zu sehr ist der Fokus einer Mutter auf das Wohl und die Bedürfnisse ihrer Kinder ausgerichtet, um gleichermaßen die eigenen am Schirm zu haben.

In unserer Individual-Gesellschaft, in der die Familie zu einer kleinen Zelle geschrumpft ist,
in der in den sozialen Medien hohe Standards gelegt werden, was Kinder anscheinend alles brauchen,
in der jeder ein Eigenheim (mit all seinen finanziellen Belastungen) anzustreben hat,
in der uns vorgegaukelt wird, dass Frauen ganz bald das Nest der Familie verlassen möchten, um sich in der Arbeit"selbst zu verwirklichen" und das Gleichberechtigung von Mann und Frau heißt,
........
...ist es kein Wunder, wenn die Zahl der "Mutter-Burnouts" zunehmend steigt und die Geburtenrate fällt.
Sehr triggern tut mich auch ein "Frühstück bei mir"-Interview mit dem AMS-Vorstand von Österreich,
der da meinte, die Lösung des Fachkräftemangels in Österreich sei die schnelle Wiedereingliederung von Müttern in den Arbeitsbereich und die Erhöhung des Pensionsalters bei Frauen.
Da frag ich mich schon, was die Werte sind, nach denen bei uns in Österreich Politik gemacht wird.
Was bedeutet Wohlstand für Österreich aus politischer Sicht? Ich vermute, wir werden als Homo oeconomicus betrachtet.

Für mich persönlich bedeutet Wohlstand auf jeden Fall nicht, dass ich mir alles leisten kann, was ich will.
Natürlich wünsche ich mir, dass alle Österreicher (alle Menschen!) genug Güter zur Verfügung haben, um ihre basalen Bedürfnisse decken zu können.
Aber am Ende bedeutet das Wirtschaftswachstum einfach nur eine größer werdende Schere zwischen Ärmsten und Reichsten
und für die Mittelschicht, in der ich mich befinde, unnötigen Konsum und Umweltverschmutzung,
die längst nicht mehr glücklicher machen (auch wenn es das Belohnungssystem in uns aktiviert).
Diese Fixierung auf den materiellen Bereich des Wohlstands lässt uns auf anderen Ebenen verarmen.
Zu wenig Zeit, zu wenig Entspannung und Ruhe, zu wenig Raum für Kreativität und Spiritualität, geschweige denn für erfüllende Beziehungen. (Buchempfehlung: Echter
Wohlstand von Vivian Dittmar)

Und all dieser Mangel in unserer Gesellschaft wirkt sich auch auf uns Mütter und dann wiederum auf unsere Kinder
aus.
Denn wer kümmert sich heute aktiv um uns Mütter, wie es seit Urzeiten in größeren Familien-Verbänden oder Dörfern getan
wurde? Die Großeltern müssen noch arbeiten gehen, alle anderen sind auch bis an ihre Grenzen ausgelastet.
Unsere sogenannte Familienpolitik versucht hauptsächlich, Fremdbetreuungsplätze für unsere Kleinsten zu schaffen.
Und viele Mütter in meinem Umfeld sagen, dass Arbeitengehen tatsächlich weniger anstrengend ist, als rund um die Uhr für ihr Kind zu sorgen.
Aber ist das nicht ein ernst zunehmendes Zeichen?
Es macht eine Gesellschaft sicher nicht gesünder, wenn Kinder schon mit 1,5 Jahren großteils fremd betreut werden (Messungen ergaben chronisch hohe Cortisol-Werte im Speichel von Kleinkindern in
Krabbelgruppen).
Es macht auch Familien nicht glücklicher. Wofür Kinder bekommen, wenn man dann im Endeffekt eh nicht für sie da sein kann?
Vor allem fehlt es an Freiheit, dies entscheiden zu können.
Ja, es braucht Entlastung für Familien. Aber doch nicht (nur) so.
"Jede von uns wird eine bessere Mutter sein, wenn sie in der Zeit nach der Geburt selbst bemuttert wird."
Diesen Satz von Debra Pascali-Bonaro kann ich nicht oft genug wiederholen. Ich fühle ihn zutiefst.
Jeder Mutter wird es besser/leichter/erfüllernder gelingen, sich um ihr Kind/ihre Kinder zu kümmern, wenn auch sie parallel die Erfahrung macht, dass sich aktiv um sie gekümmert
wird.
Hoher Stress, Überforderung und dadurch überlastete Nervensysteme bei Eltern sind die Nummer 1-Ursache für Gewalttaten und Traumata bei Kindern.
Folglich kann man sich vorstellen, wie wichtig ein gesundes Elternhaus für unsere ganze Gesellschaft ist.
Der verstorbene Papst Franziskus meinte:
"Das Wohl der Familie ist entscheidend für die Zukunft der Welt."
Wer kümmert sich um uns?
Immer wieder spüre ich diese Enttäuschung, dass sich nicht um uns Mütter, die diese verantwortungsvolle und immens wichtige Aufgabe erfüllen, gekümmert wird.
Das erzeugt zeitweise Wut in mir, die ich dann auf andere projiziere, die nichts dafür können.
Und ich weiß aus vielen Gesprächen mit Mütter und Schwangeren, dass es ihnen auch so geht.
Manchmal komme ich mir vor wie eine Katze auf Edith Klingers Schoß bei "Wer will mich", eine Sendung, die früher beim ORF lief.
Wer will sich um uns junge Mütter kümmern? Wir brauchen nicht viel: ein wenig Nahrung, Zuwendung, Zeit, ernst genommen werden, ein Zuhause....
Zugleich wächst in mir auch die Qualität von Edith Klinger selbst - am liebsten würde ich mich ja selber um all die Mütter kümmern.
Zumindest für sie aufstehen und ihren Wert für unsere Gesellschaft sichtbar machen.
Mit dafür sorgen, dass sich um sie gekümmert wird.
Aber das kann niemand im Alleingang.
Ich möchte mich davor hüten zu vergessen, wie es sich anfühlt an ihrer Stelle zu sein.
Ich merke nämlich, je größer und selbständiger mein Sohn wird, umso leichter wird es auch wieder, für mich selbst mitzusorgen (umso mehr hat man auch gelernt, mit ganz wenig auszukommen) und
das Leiden verliert seine Not.
Und jene, die gerade mitten in diesem Struggle sind, haben oft nicht die Kraft und Kapazität, um dafür aufzustehen.
Aber verändert sich dann je was?
Es braucht uns alle

Malcolm X sagte: When "I" is replaced by "We", illness becomes wellness.
Das Wohlbefinden unserer Familien geht uns alle etwas an. Es formt unsere Zukunft.
Als Mütter dürfen wir lernen, Hilfe zu erbitten und anzunehmen.
Das ist uns nicht immer gut möglich.
Als UnterstützerIn bitte ich dich, dich ganz bewusst zu fragen, was Wohlstand für dich bedeutet
und die Augen aufzumachen für den Wert der Arbeit von Müttern. Vielleicht möchtest du auch mal aktiv auf so eine Mutter zugehen und dich um sie kümmern.
Vielleicht ist es für dich nichts Großes, aber die Wirkung kann riesige Kreise ziehen,
wie ein kleines Steinchen, das ungesehen in einen Teich fällt und dessen Kreise auf der Wasseroberfläche die Botschaft noch lange weitertragen.
MERCI
Von Yogi Bhajan:
"It takes a village...!
Manchmal können die Bürden des Einzelnen nur vom Kollektiv getragen werden.
Nur gemeinsam können wir das Gewicht stemmen. Wir haben eine kollektive Stärke in uns -
Hand in Hand, in Freundschaft, in Liebe und in Zuneigung.
Behalte Dinge nicht nur für dich und traue dich zu sagen: Ich kann nicht!
In Gemeinschaft gibt es nichts, was du nicht kannst."